Sonntag, 19. Januar 2014

Lieber Opa!

Ich weiß, und es ist sicher auch egoistisch. Aber so! hab ich mir das nicht vorgestellt.

Schon früh durfte ich Dich kennenlernen.
Zu jung für'n Opa, zu alt für'n Papa.

Aber, auch wenn Du dieses Wort niemals benutzt hast, weiß ich doch, dass ich das Prinzesschen war.

Wie Du mir (zu Recht!) mal den Hintern versohlen wolltest, aber es nicht über's Herz gebracht hast.
Immer gab's Gummibärchen, Duplo's, Hanuta's, an besonderen Tagen aber auch Rocher und Küsschen.

Ganz tricky war ich, damals als kleiner Scheißer (heute habe ich sowas im Haus, den Großen), ich wusste, wenn Du erst mal ein paar Bierchen getrunken hast, und ich mich ganz ganz leise hinterm Sessel verstecke, darf ich Samstag's die 20:15 Uhr Filme schauen.
Und wie Du Dir Mühe gegeben hast, an mir vorbei zu schauen, wenn Du mal auf die Toi musstest ....

Überhaupt. Ich glaube, es gab in der Zeit ganz wenige Samstage, da ich nicht im Omapabett aufgewacht bin.
Doch ja, ich bin (fast) immer wach geworden, wenn Du mich aus dem Ur-Omabett geholt hast und mich ins "Grüble" gelegt hast. Aber ich hab still gehalten, sonst hätte ich am Ende noch laufen müssen!

Und Sonntags hast Du immer gekocht. Immer das was ich gerne hatte.
Wobei ich diese "Kässpatzen mit Bauch" nicht prickelnd fand.
Aber es gab immer "meine" Suppe. Immerhin. Holen durfte ich zartes Pflänzchen die natürlich nicht! Die wurde mir von Dir immer an den Tisch geliefert!
Ebenfalls unvergessen, wie Du Ur-Oma's Erziehungsmaßnahme boykottiert hast, und Du mich von dieser elenden Innereiensuppe befreit hast! Danke hierfür nochmal. Ich kann sie noch immer nicht riechen. Und sorry auch an Ur-Oma. Der Maggi-Trick (haha) war nicht so doll. Ich verstehe aber heute warum Du mich 5 Stunden hast vor der Suppe sitzen lassen. Danke Opa für's nicht essen müssen.

Was war da noch?
Ach ja!
Der Musikunterricht. Eigentlich wolltest Du ja, dass ich "Quetschn" lern', aber dafür waren meine Finger zu kurz. Ey: Ich kann dafür mit 10 Fingern tippen! Fehlerfrei! Es würde sogar für ein Diplom reichen. Aber das brauchen wir der doofen Lehrerin nicht erzählen!
Du hast mir erlaubt Klarinette spielen zu lernen. Verzeih' mir, dass ich in der Pubertät den Bock verlernt hatte.

Und auch noch mein Bett.
Da hatte ich das Mega-Doof-Self-Made-Bed von der Tante Conny.
Liegefläche mit zu kleiner Matratze auf elendslangen Stelzen.
Ich gestehe heute: Ich hatte die Schrauben nicht wieder angezogen. Ja, ich weiß dass Dich das geknarze genervt hat. Und vielleicht hatte ich mich auch extra gewälzt im Bett.
Ein dickes Danke für mein großes Bett. Hast Du mir gekauft. Top Modern. Ich hab mich gefreut wie Bolle!

Und ja, in dem Bett hast Du mich beim Rauchen erwischt. Und niemandem etwas verraten. Oma wusste es aber längst. Trotzdem, Du hast mich nicht verraten. Nur geschimpft, weil ich "es" im Bett tat.

Auch lustig war die Geschichte, als Du meinen 1. Freund hast vor der Tür stehen lassen.
Er hat aber auch doof gefragt.
*klingel*
Opa öffnet
Hallo ... Ist die Gundel da?
Opa: Ja! *Türe zu!*
Und dann stand der Kerl da draußen. Im Januar.
Falsche Frage. Ja, ich war da. Aber gesagt hat er mir nicht, dass jemand danach gefragt hatte.

Der Möter.
Den ich bekommen hatte, obwohl Du ihn nicht wolltest.
Den hast Du auch noch Jahre später Sonntags bei mir abgeholt.

Als Oma starb. Und Du mich ganz feste in den Arm genommen hast. Und ich peinlich berührt war, weil ich wusste, Du kannst soviel Nähe eigentlich nicht ab. Aber Du hast es für mich getan.
Wie Du mein "Erbe" verteidigt hast!

Wie traurig Du warst, als ich den Unfall hatte.
Wie Du die Wohnung aber in Gedanken schon barrierefrei gemacht hattest, als alle noch dachten, ich würde gelähmt bleiben.
Damals hast Du aber auch schon gesagt, dass Du mir gewünscht hättest, lieber zu sterben als so leben zu müssen. Ich hab's verstanden wie Du das meintest. Nicht alle anderen.

Als Du noch Worte benutztest wie "Negermusik" von der man "dosohrat" wird.
Und Deine (haha) super Witze. "Der rasende Furz auf der Gardinenstange". Und das andere, was mir im Moment nicht einfällt. Lähmend. Nicht lustig. Aber heute anders Wert.

Als Du mir sofort bereitwillig das Zimmer von Ur-Oma zur Verfügung gestellt hattest, als ich wieder zur Schule ging. Wie Du Dich (still) gefreut hast, als ich darauf bestanden hatte, Miete zu bezahlen. Nein, gesagt hättest Du nie was. Aber Du wolltest dass ich das tu', dafür hast Du mir Feuer abends und "Duschwasser" morgens gemacht. Und natürlich auch Sorgen, wenn ich nicht pünktlich da war. Inklusive war auch der Weckdienst (bis zu fünfmal) und der Morgenkaffee.

Wie wir renoviert hatten.
Du hast tapeziert, ich gestrichen.

Wie Dir mein Autochen gefallen hat.
Deshalb hab' ich ihn dir auch für'n Appel und n Ei verkauft, weil ich wusste, dass Du das Geschoss haben möchtest.

Du warst immer verdammt pünktlich. Und bist ausgeflippt wegen meiner akademischen 5 Minuten.
Ach ja, Fenster mussten im Auto geschlossen bleiben. Ich habe es gehasst bei Dir mitfahren zu müssen!
Gott sei Dank warst Du Neuerungen, wie der der Klimaanlage, aufgeschlossen.

Du mochtest meinen Ex-Mann sehr gerne.
Als das Baby kam, warst Du der glücklichste Mensch überhaupt.
Du hast echt "geduziet"! Du! Du!!
Jeden Sonntag hatten wir "Schnauz" gespielt. Hat irre Spaß gemacht, und ich wollte eigentlich, dass wir diese Sache nochmal aufleben lassen. Mit dem Neuen Mann.

Oh. Und wie ich vergessen hatte, dass Du ja jeden Freitag kommst.
Du hast mir immer einen Kofferraum Holz gebracht, Holz das Dir dann am Schluss gefehlt hat, und an einem Freitag hast Du mich mit D erwischt.
Gott warst Du sauer!
Aber ey! Da war's eh schon vorbei.

D hatte es nicht leicht bei Dir.
Wirklich nicht.
Aber ich weiß, dass er Dir doch lieber war, als Ehemann Nr. 1. Du hast es nicht gesagt, aber Du musstest mir nicht viel sagen. Ich hab' Dich verstanden. Mit Deinen kleinen Gesten. Und den wenigen Worten, die Du verloren hast.

Oh. Und dann die eher unschöne Phase, als Oma im Krankenhaus/Kurzzeitpflege/Reha war. Himmel. Weißt Du noch? Als Du mich nicht erreichen konntest? Und Du mir 25 Nachrichten innerhalb 4 Stunden hinterlassen hast? Immer schlimmer wurden die Worte und Vorwürfe.
Und dann standest Du am nächsten Tag um halb neun auf der Matte als wäre nie was gewesen ....

Und Himmel!
Die Dinge Du vor mir verheimlichen wolltest!
Meine Güte!

Ja. Das warst Du!
Und genau Dich vermisse ich.

Das letzte dreiviertel Jahr war nicht gut für Dich.
Du hattest massive Schlaganfälle, ich böser Mensch hatte Dir die Reha aufgebrummt.
Dazwischen hab ich mit Oma Dein Hab & Gut gepackt und in eine neue Wohnung geräumt. Obwohl Du das nicht wolltest. Aber verzeih' mir, es ging nicht mehr.
Dein Haus war zu arbeitsintensiv für uns.
Ich hatte aber den Eindruck, Du hast Dich gut eingelebt gehabt.
Aber Du warst anders. Ruhiger, sanfter. Nicht mehr so aufbrausend oder cholerisch.
Und wenn Du wütend warst, dann auf ganz andere Weise.
Aber: Du warst Da. Wenn ich angerufen hatte, wolltest Du immer mit mir reden. Wenn auch nur kurz. Ob's uns gut geht wolltest Du wissen. Und wann wir wieder kommen.

Ganz arg glücklich hat Dich das Baby gemacht. Das war "geduzie" hoch 4.
Tut mir Leid, dass ich einen Namen gewählt hatte, den Du nicht aussprechen konntest.
Aber ich hatte nochmal geheiratet. Und ich bin froh, dass Du dabei warst!

Ja. Und dann kommt so ne Gürtelrose daher und nimmt Dich mit in die Ewigkeit.
Wie alle, wünschte ich, ich könnte so 5 Wochen zurück und nochmal Danke sagen. Ohne Dich hätte ich nicht dieses Leben.
Du warst mein Vater, der nie bei mir sein konnte. Auch wenn Du das nicht wolltest, und es Dir unangenehm war so früh Opa zu werden. Oder eben für einen zu alten Vater gehalten zu werden.
Ohne Dich wäre ich nicht ich.

Ich danke Dir.
Und ich vermisse Dich.
Grüß Deine Mama von mir. Und Deine Schwester.
Die beiden sollen wieder gut auf Dich aufpassen. Ich bleib' erstmal bei Oma, ich hoffe, Du lässt sie mir noch so 10 - 15 Jahre bei guter Gesundheit.
Ich schätze, wir beide sehen uns erst wieder in 40 Jahren.

Pass' gut auf Dich auf.